Es wird hier nicht behauptet und auch nicht bewiesen, ob oder dass es eine Lügenpresse gibt. Wenn jemand diesen Begriff unbedingt verwenden will, passt er allerdings eher auf die Boulevardpresse und damit auch auf die Bildzeitung. Ich hoffe, dass man das zumindest als Einzelmeinung anerkennt.
Der Eindruck von (bewusst)falscher Berichterstattung scheint tiefer zu liegen und ist häufig schlicht falsch. Noch unbewiesener und auch unwahrscheinlicher sind Lügen im Auftrag der Regierenden. Ausgeschlossen sind sie aber nicht. Allerdings sollte man sich die Mühe machen, das dann auch nachzuweisen. Bisher habe ich in dieser Richtung nichts zur Kenntnis bekommen.

Ohne philosophisch in die Tiefe zu gehen, veruche ich den Wahrheitsbegriff hier zu erläutern. Ich bin seit einiger Zeit der Überzeugung, dass es heute fast für jeden eine eigene – und damit oft eben auch eine andere oder abweichende – Wahrheit gibt. Es wird häufig behauptet, dass sei „früher“ besser und damit einfacher gewesen. Eine objektive oder absolute Wahrheit gab und gibt es nicht ( Wer ehrlich religiös ist, mag das gern anzweifeln). Aber, wenn es für alle eine relativ übersichtliche und einheitliche Qellenlage gibt, gibt es dann auch eine vergleichbare Wahrheit.
Die Quellen, aus der man seine Informationen bezog, waren normalerweise Radio- und Fernsehprogramme, Zeitungen und Zeitschriften und natürlich Bücher. Alle diese Medien bzw. Beiträge waren und sind redaktionell ausgewählt oder beabeitet. Dies ist heute nicht anders, aber die Informationsquellen sind exorbitant gewachsen und sind mehrheitlich nicht (mehr) redaktionell bearbeitet. Damit kann jeder einerseits zu einer eigenen Wahhreit kommen, andererseits kann er sich seine Ansicht auch immer wieder bestätigen lassen. Der Begriff der Filterblase umschreibt das nur unvollständig.

Wenn man dieser Argumentation nicht folgen will, könnte man entgegen halten, dass Redaktionen zu einseitiger Berichterstattung führen und „von außen“ gelenkt sein könnten. Damit wäre die Freiheit, dass jeder jeden Blödsinn veröffentlichen kann, genommen und der „Zensur“ Tür und Tor geöffnet.
Spätestens hier beginnt auch meine Kritik an der aktuellen redaktionellen Medienlandschaft. Da lenkt nach meiner Überzeugung allerdings niemand aktiv von außen, sondern die redaktionelle Berbeitung ist allenfalls grottenschlecht. Es gilt die Quote und es winkt der Folgeauftrag oder die Berühmtheit. Das ist insgesamt wohl in öffentlich rechtlichen Programmen (noch?) weniger verbreitet, es lassen sich aber Beobachtungen machen, die auf eine Zunahme hindeuten.

Zuletzt ein gewagter Vergleich mit der Henne – Ei – Problematik.
Ist es inzwischen wirklich schwierig geworden, zu entscheiden, was zuerst da war? Waren es die ständigen Wiederholungen von Beschimpfungen der „Lügenpresse“ oder die redaktionell unbearbeiteten Beiträge im Internet?

Ich lasse mich gern in den Kommentaren von Fehlern in meiner Argumentation überzeugen, auch ohne vorherige redaktionelle Bearbeitung. Für die Veröffentlichung der Kommentare gilt das allerdings nicht. Da muss der Leser mir vertrauen, dass ich nicht nur das freigebe, was mir passt.